Einführung
Es gibt viele Formen von Interaktivität und wie diese in Bezug auf Video-Games verwendet werden. Um die Bedeutung von Interaktivität in Video-Games aber überhaupt erst analysieren zu können, benötigen wir zuerst ein Verständnis darüber was Interaktivität eigentlich ist. In Bezug auf Video-Games lässt sich Interaktivität grob in zwei Aspekte aufteilen: In den Informationstechnischen und soziologische Interaktivitätsbegriff.
«Interaktivität weist allgemein auf eine Wechselbeziehung zwischen zwei oder mehreren beliebigen Größen hin, bei der implizit Informationen oder Daten ausgetauscht werden. Hingegen geht der soziologische Interaktivitätsbegriff von Personen aus, die sich gegenseitig wahrnehmen können und sich in ihrem Verhalten aneinander ausrichten […].»
(Wikipedia, 2024)1
Meist denkt man nun an die einfachste Art der Interaktivität in dieser Hinsicht: An das Spielen des Video-Games selbst und die Kommunikation zwischen den Spielern/Spielerinnen, beim gemeinsamen Spielen. Doch Interaktivität geht noch viel weiter und versteckt sich häufig so, dass wir erst bei einer genaueren Analyse eine tiefergehende Interaktion erkennen.
In diesem Blog möchte ich auf verschiedene Ebenen der Interaktivität eingehen, welche unter anderem auch im Seminar «Video Games MEET Musiktheater» an der Universität Bern behandelt wurden. Dabei werde ich sowohl auf Interaktivität zwischen Spieler/innen und Video-Games eingehen wie auch auf Interaktionen, welche ausserhalb des eigentlichen Spiels zustande kommen, wie z.B die Art und Weise wie wir mit anderen Spieler/innen in Online-Games interagieren.
Interaktivität zwischen Spieler/in und Games
1. Spiel-Ebene
Zuerst stellt sich uns die Frage, was ein Video-Game überhaupt ist und welche Aspekte ein Solches ausmachen. Ermi & Mäyrä beschreiben das Wesen eines Video-Games in ihrem Paper «Changing Views: Worlds in Play Fundamental Components of the Gameplay Experience: Analysing Immersion» wie folgt:
«[…] the essence of a game is rooted in its interactive nature, and there is no game without a player. The act of playing a game is where the rules embedded into the game’s structure start operating, and its program code starts having an effect on cultural and social, as well as artistic and commercial realities.»
(Ermi & Mäyrä, 2005)2
Dieses Zitat beschreibt, wie wichtig die Interaktivität zwischen Spieler/in und Code ist, denn ohne diese benötigte Interaktion, wäre der Code nichts als ein geschriebenes Programm ohne Anwendung. Aktive Interaktionen stellen somit die Grundbausteine für Video-Games dar und lassen sich durch eben diese Interaktionen von anderen Medien unterscheiden.
Die Voraussetzung für eine solche Interaktion zwischen Spieler/in und Game beruht zudem auf spezifischen Geräten, welche sowohl Eingaben durch den/die Spieler/in als auch Ausgaben und eine damit einhergehende Visualisierung und/oder Vertonung des geschriebenen Programms erlauben. Meist handelt es sich bei den Ausgabegeräten um Bildschirme wie Fernseher oder Computerbildschirme, welche die verarbeiteten Informationen an die Aussenwelt und somit an die Spieler/innen abgeben können, während es sich bei den Eingabegeräten um Geräte handelt, durch welche sich Informationen durch die Spieler/innen zuführen lassen, wie z.B Tastaturen oder Controller.
Die Komplexität der Ein- und Ausgabegeräte hat auch einen Einfluss auf die Stärke der Interaktivität. So ermöglicht z.B ein eher neuer DualSense® Wireless-Controller im Vergleich zum Nintendo Entertainment System eine komplexere Eingabe, rein durch die Anzahl vorhandener Knöpfe.
Ich möchte hier jedoch betonen, dass die Komplexität eines Eingabegeräts keinerlei Auswirkungen darauf hat, wie gut oder schlecht ein Video-Game ist. Sie kann lediglich leichten Einfluss auf die Immersion der Spieler/innen und die Interaktivität zwischen Spieler/in und Cybertext (Spielprogramm) haben.
2. Musikalische Ebene
Nebst den Handlungen der Spieler/innen, geschieht Interaktion zudem auf der musikalischen Ebene. Dies ist vielleicht nicht gleich ersichtlich, aber stellen Sie sich einmal vor, Sie würden das Video-Game, welche sie gerade spielen einfach stumm schalten. Was würde geschehen? Wie würde sich das auf Ihr Spielerlebnis auswirken?
Collins beschreibt in ihrem Artikel zu Implications of Interactivity zwei Merkmale von interaktivem Audio: Feedback und Kontrolle. Gerade das Feedback ist dasjenige Merkmal, welches wir uns auch von der Realität gewohnt sind und auf welches wir uns verlassen:
«Sound in nature provides us with continuous feedback.
We constantly receive information about the status of our surroundings […]. It is not surprising, then, that when it comes to games […], sound has continued to fulfill this same role.»«Feedback provides important information to the player about a variety of game elements, and […] without sound, the player increasingly relies on visuals to gain information.»
(Collins, 2013)5
Hierbei spielt die adaptive Musik (interaktive Musik) eine zentrale Rolle. Bei der adaptiven Musik handelt es sich um Hintergrundmusik/Atmosphärenmusik, welche sich nach dem Spielgeschehen verändert und mit diesem interagiert. Auch Collins beschreibt es als «[…] sound that reacts appropriately to game play and even anticipates it, rather than responding directly to the player.» (Collins, 2013) und trat erstmals bei Frogger (1981) auf. Dabei werden spezifische musikalische Elemente wiederholt und immer abgespielt, wenn sich der/die spielbare Charakter/in an einer bestimmten Position befindet oder eine bestimmte Aktion begeht.
Beispiele: Analytisches Spielen
Ein Beispiel dafür fanden die Studierende auch im Seminar, wo Hollow Knight (2017) auf der Nintendo Switch und Super Mario Bros. (1985) auf dem Nintendo Entertainment System durch analytisches Spielen getestet wurden.
Dabei war zu beobachten, dass sich gerade bei Hollow Knight (2017) die Musik stark verändert, je nach dem wo oder in welcher Situation sich der Charakter befindet.
Hollow Knight (2017)
Durch diese wiederkehrenden Musikelemente, welche fliessend ineinander übergehen, lassen sich beispielsweise Kämpfe oder andere Themenbereiche vorausahnen, auch wenn sie visuell für den/die Spieler/in noch gar nicht ersichtlich sind.
3. Entscheidungsebene
Wie im ersten Block (Safeeya Ramis, Interaktivität und ihre Bedeutung in Video-Games. Video Games MEET Musiktheater.) erwähnt, ist Interaktivität charakteristisch für Video-Games. Ermi und Mäyrä nach zu urteilen, stellt die Möglichkeit Entscheidungen zu treffen und selbständig zu handeln für einige Spieler den immersivsten Aspekt von Spielen dar. (Ermi & Mäyrä, 2005)
Sogenannte Flashpoints wurden im Seminar nicht explizit behandelt, bilden aber eine zusätzliche Ebene der Interaktivität. Sie stellen Momente im Spiel dar, in denen die Spieler/innen eigenständig Entscheidungen treffen können, wie sich die Persönlichkeiten der Hauptcharaktere ausrücken und wie sich ihr Handeln gestaltet. Beispiele dafür finden sich in Horizon Zero Dawn (2017) und Horizon Forbidden West (2022), wie auch in einer etwas anderen Form in Assassin’s creed odyssey (2018). Hierbei handelt es sich um Choices, welche sich auf den Ausgang des Plots auswirken können und die Handlung somit dem/der Spieler/in entsprechend ein wenig personalisieren lassen. So beschreitet der/die Spieler/in nur einen von vielen Wegen, welche möglich wären. Dies wurde auch schon 1997 von E. J. Aarseth in seinem Buch «Cybertext» beschrieben:
«[W]hen you read from a cybertext, you are constantly reminded of inaccessible strategies and paths not taken, voices not heard. Each decision will make some parts of the text more, and others less, accessible, and you may never know the exact results of your choices; that is, exactly what you missed.»
(Aarseth, 1997.: 3)6

Interaktivität zwischen Spieler/innen
Interaktivität in Video-Games ist sehr schwer zu definieren, da es alle möglichen von Ebenen der Interaktivität gibt und Interaktivität auch über das eigentliche Video-Game hinaus geht. Eine ganz andere Art der Interaktivität ist Diejenige, welche sich zwischen den Spieler/innen abspielt. Gerade in Online-Games erlaubt die Kommunikation zwischen den einzelnen Spieler/innen eine direkte Interaktion mit anderen Menschen, auch wenn sich diese in grosser Entfernung befinden. Multiplayer Spiele ermöglichen eine gemeinsame Ausarbeitung von Spielstrategien und fördern auch das Gemeinschaftsgefühl.
Gerade Gamingplattformen wie Steam ermöglichen sowohl Usern wie auch Entwicklern einen Raum, in welchem sich Spieler/innen aus der ganzen Welt austauschen und diskutieren können. Zudem können Entwickler ihre Spiele über solche Plattformen veröffentlichen und erhalten direkte Rückmeldungen von den Spieler/innen. Solche Plattformen ermöglichen auf unterschiedlichen Ebenen Interaktionen und dies in einem riesigen räumlichen Verhältnis.
Doch auch ausserhalb der virtuellen Welt findet Interaktivität statt. Gemeinschaftspiele und Online-Games stossen auf grosses Interesse in der Bevölkerung. Spiele wie Mario Kart 8 (2014) laden zu einem gemütlichen Abend mit Freunden ein, während Andere wie League of Legends (2009) oder Call of Duty (2003) sogar in riesigen eSport-Arenen als Wettkämpfe ausgetragen werden. Solche Events stellen eine ganz andere Art von Interaktivität dar, wie man sie z.B auch bei Konzerten vorfindet und somit ganz neue Arten von Interaktivität ermöglicht.

Fazit
Interaktivität findet sich auf verschiedenen Ebenen innerhalb von Video-Games und kann dementsprechend unterschiedlich analysiert werden. Alle Ebenen, sei dies nun auf der musikalischen Ebene oder auf der Entscheidungsebene, dienen dieser Form von Medien als eindeutiges Merkmal und erhöhen den Grad der Immersion für die Spieler/innen.
Interaktivität geht jedoch auch über das Spiel hinaus und findet sich zwischen einzelnen Spieler/innen wieder, wie auf Online-Plattformen oder sogar an Wettkämpfen. In diesem Blog wurden nur wenige der Ebenen der Interaktivität benannt und ich denke, dass die Liste noch lange nicht abgeschlossen ist. Zudem überschneiden sich viele dieser Ebenen und lassen sich gar nicht richtig abtrennen oder definieren. Doch eindeutig ist, dass Interaktivität unverzichtbar in Bezug auf Video-Games ist und ihr eigentliches Kernstück bildet.
Quellenverzeichnis:
Beitragsbild: https://www.derdigitalstratege.com/wp-content/uploads/2022/05/shutterstock_707776618-1-2048×1089.jpg
- Interaktivität – Wikipedia ↩︎
- Ermi, L., & Mäyrä, F. (2005). Changing Views: Worlds in Play Fundamental Components of the Gameplay Experience: Analysing Immersion. ↩︎
- https://nintendo-online.de/upload/images/2015/04/05/15406259775521060055bf45-36935232.png ↩︎
- https://live.staticflickr.com/65535/49747503557_fa12f113db_h.jpg ↩︎
- Collins, K. (2013). Implications of Interactivity: What does it mean for sound to be «interactive»? ↩︎
- Aarseth, E. J. (1997). Cybertext: Perspectives on ergodic literature. Johns Hopkins University Press. ↩︎
- https://www.interfaceingame.com/wp-content/uploads/horizon-forbidden-west/horizon-forbidden-west-dialogue-2.png ↩︎
- https://cdn.gameleap.com/images/articles/art_5BEa3Os_EA/art-img_HSBq5y75e/1x.webp ↩︎
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Safeeya Ramis (29. Januar 2025). Interaktivität und ihre Bedeutung in Video-Games. Video Games MEET Musiktheater. Abgerufen am 19. Februar 2025 von https://spielwelten.hypotheses.org/248